Potenziale mediendidaktischer Lehre

Sie sind noch nicht ganz überzeugt vom Unterrichten mit digitalen Medien? Im Folgenden möchten wir Ihnen einige Anreize präsentieren, um mediendidaktisch tätig zu werden.

Die Digitalisierung in der Lehre bietet enorme Chancen im Hinblick auf die Flexibilisierung und Individualisierung Ihres Unterrichts – und damit für die Unterrichtsentwicklung insgesamt. Mehrere wesentliche Bereiche lassen sich nennen, in denen die Digitalisierung ihr Potenzial für diesen Zweck entfaltet. Howe und Knutzen (2014) halten in Band 7 ihres Konzeptes "Die Kompetenzwerkstatt: Kompetenz- und prozessorientierte Berufsbildung" die Potenziale mediengestützter Lehre fest. Die Ausgabe "Die gesamte Bandbreite nutzen. Mit digitalen Medien in MINT-Fächern lernen" der Schriften zur Didaktik in den Ingenieurwissenschaften des ZLL an der TUHH fasst diese zusammen:

Bereitstellung von Inhalten

Die digitale Aufbereitung ermöglicht das orts- und zeitunabhängige Abrufen und Lernen von Inhalten. Zudem lassen sich digitalisierte Materialien einfacher über das Internet verbreiten und anderen zugänglich machen.

Beispiel:
Sie möchten, dass sich Ihre Schülerinnen und Schüler auf die nächste Unterrichtsstunde vorbereiten. Die notwendigen Unterlagen dafür befinden sich auf Ihrem Rechner. Sie den Schüler*innen auszudrucken, würde Sie Zeit und Papier kosten, außerdem befinden sich in dem Dokument verschiedene Links, die auf Webseiten führen. Was also tun? Ihre Daten liegen bereits digital vor, das ist schon einmal prima. Um sie den Lernenden zur Verfügung zu stellen, können Sie beispielsweise Online-Plattformen wie die Open Source Lernmanagementsysteme moodle, OLAT, StudIP, Chamilo oder ILIAS nutzen. Ihre Schülerinnen und Schüler können zeit- und ortsunabhängig auf sie zugreifen und sich auf die nächste Sitzung vorbereiten.

Die Möglichkeit zur digitalen Bereitstellung von Inhalten kann nicht nur den Präsenzunterricht bereichern, sie ermöglicht auch ganz neue Formen der Lehre – den Blended Classroom:

  • Beim Blended-Learning ersetzen digitale Medien in bestimmten Phasen des Lehr- und Lernprozesses die Lehrperson. So kann ein Kursinhalt beispielsweise von den Lernenden in Form der Online-Lehre recherchiert, kommuniziert und erarbeitet werden (hierfür bieten sich ebenfalls die oben genannten Lernmanagementsysteme an), um anschließend in Präsenzsitzungen diskutiert und präsentiert zu werden.

  • Auch reiner Online-Unterricht ist mit der Nutzung digitaler Medien möglich: In diesem Fall nimmt die lehrende Person lediglich die Position eines Moderators ein und steuert den Online-Lernprozess, den die Lernenden selbst organisieren. Ein Beispiel hierfür sind Kurse der Fernhochschule, die eine zeit- und ortsunabhängige Bearbeitung der jeweiligen Bildungsinhalte ermöglichen.

Visualisierung

Lerninhalte lassen sich mit Hilfe digitaler Medien auf eine Art und Weise aufbereiten, die sie für Lernende leichter zugänglich machen – nicht nur durch Fotos und Filme, sondern z. B. auch durch die Animation technischer Funktionen oder physikalischer Sachverhalte.

Beispiel:
Sagen wir, Sie unterrichten im Fach Chemie und wollen den Schüler*innen eine Reaktion anhand eines Versuches näherbringen. In Ihren Räumen ist dieser Versuch leider nicht durchführbar. Die Reaktion nur schriftlich oder verbal zu erläutern, entspricht nicht Ihren Unterrichtszielen. Hilfreich wäre beispielsweise ein Video, in dem der Versuch dargestellt wird. Für Lehrvideos gibt es bereits zahlreiche Plattformen mit einem breiten Angebot an frei lizenzierten, also offenen Materialien, die es erlauben, diese in den Unterricht einzubinden. Eine Übersicht finden Sie in der Die geballte Ladung OERmutigung - die Linkliste!.

Zusammenarbeit

Die Vielfalt an digitalen Werkzeugen zur elektronischen Kommunikation ermöglicht es, gemeinsam (sowohl gleichzeitig als auch zeitversetzt) Aufgaben zu bearbeiten. Foren, Chats oder auch Blogs können die Kommunikation und Kollaboration zwischen den Lernenden unterstützen und die gemeinschaftliche Bewältigung und Bearbeitung von Lehraufträgen fördern.

Beispiel:
Stellen Sie sich vor, Sie unterrichten Deutsch an einer weiterführenden Schule. Zu dem Buch, das gemeinsam im Unterricht gelesen wird, soll nach und nach eine Zusammenfassung entstehen, die anschließend der Prüfungsvorbereitung dienen soll. Doch wie organisieren Sie es, dass alle Schülerinnen und Schüler ihr Wissen an einem Ort zusammentragen und austauschen? Hier kann beispielsweise ein Wiki helfen. Das Wiki-System erlaubt es, entweder im Netz, in einem lokalen Netzwerk oder desktopbasiert mit mehreren Personen Texte zusammenzutragen. Dabei können Sie mithilfe von Versionskontrollen überprüfen, welche Änderungen vorgenommen wurden und angenommen werden sollen.
Eine weitere Möglichkeit zur gemeinsamen Erstellung und Bearbeitung von Text stellt die Arbeit in einem Etherpad dar.

Strukturierung

Durch die flexible Sortierung und Anordnung, sowohl vonText als auch von grafischen Elementen, bieten viele digitale Werkzeuge sehr gute Möglichkeiten zur Strukturierung von Inhalten und Gedanken. In digitalen Datenbanken lassen sich Inhalte ablegen und mithilfe von Schlagwörtern oder sogenannten Tags klassifizieren und entsprechend einfach wiederfinden. Mit edutags können Sie beispielsweise gemeinsam mit den Schüler*/innen digitales Bookmarking betreiben, indem sie sich wichtige Webseiten digital merken und untereinander teilen.

Beispiel:
Nehmen wir an, Sie sitzen am Schreibtisch und bereiten Ihren Unterricht vor. Dabei handelt es sich um einen neuen Lehrinhalt, den Sie sich selbst noch erschließen müssen. Wie können Sie diesen Inhalt an die Lernenden weitergeben? Zur Strukturierung Ihrer eigenen Gedanken können Sie nicht nur Textverarbeitungsprogramme oder digitale Präsentationsformen heranziehen, auch digitale Mindmaps können die Ordnung Ihres Wissens erleichtern. Um anschließend Arbeitsblätter oder andere Kursmaterialien mit diesen Notizen anzufertigen, müssen sie diese nicht erst abtippen. Kopieren Sie Ihre Arbeit einfach, strukturieren sie und erstellen Sie daraus neue Materialien oder teilen Sie Ihr Dokument online mit den Schüler*\innen.

Diagnose/Test

Eine Einschätzung des Lernstands von Schülerinnen und Schülern wird vereinfacht, wenn beispielsweise große Gruppen über digitale Testmodule die Möglichkeit haben, Aufgaben zu lösen oder Feedback digital geben zu können.

Beispiel:
Gehen wir davon aus, dass Sie, wie viele Lehrer*innen, nicht viel Zeit zur Verfügung haben, um das Feedback aller Lernenden einzuholen. Trotzdem interessieren Sie sich natürlich dafür, wie die Schüler*innen Ihr Angebot einschätzen, was sie gelernt haben und was eventuell noch verbessert werden kann. Open Source Feedback-Software wie beispielsweise Lime Survey oder das von der Uni Paderborn entwickelte Tool PINGO erlauben Ihnen anonymes, zeit- und ortsunabhängiges Feedback und andere Umfragemöglichkeiten.

Reflexion

Digitale Werkzeuge wie z. B. E-Portfolios ermöglichen es, Lernprozesse festzuhalten, den eigenen Wissensstand, eigene Kenntnisse und Fähigkeiten zu reflektieren und mit anderen zu teilen.

Beispiel:
Möchten Sie, dass sich Ihre Schüler*\innen mit dem Kursinhalt auseinandersetzen und diesen bezogen auf eine Fragestellung reflektieren oder befinden Sie sich in einem Praktikum und sollen ihre Erfahrungen mit den Unterrichtsinhalten in einen Kontext setzen? Das ist in Form eines E-Portfolios möglich, beispielsweise mit dem Open Source Tool Mahara, das Ihnen nach der Erstellung von den Lernenden zur Verfügung gestellt werden kann.

Digitale Medien setzen an der Lebenswelt der Lernenden an

Beim Einsatz digitaler Medien im Unterricht werden Sie höchstwahrscheinlich feststellen, dass die Schüler*innen digitale Medien bereits kennen, denn sie nutzen sie häufig im Alltag. Daher können Sie im besten Fall von den Lernenden im Umgang mit Medien profitieren. Sie setzen an ihrer Lebenswelt an, was durchaus motivierende Einflüsse haben kann.

Beispiel:
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, Ihre Schüler*innen einen Kurzfilm zu einem Lehrinhalt mit Hilfe ihres Smartphones drehen zu lassen? Genauso gut funktioniert das Gerät für Audio- oder Fotoaufnahmen. Möglichkeiten zum mobilen Lernen mit dem Smartphone zeigt beispielsweise das Landesinstitut Hamburg hier auf.

Der multimediale Medieneinsatz kann sich positiv auf die Lernmotivation auswirken

Das Lernen mit digitalen Medien macht Spaß und trägt zu einer Intensivierung von Lernaktivitäten bei. (Kerres 2003, S.3)

Nicht nur das Erkunden neuer Technik kann dazu beitragen, dass einem Lerninhalt motivierter begegnet wird. Auch die Möglichkeit, den Lerngegenstand aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, kann sich positiv auf das Interesse am Lerninhalt auswirken. Anders als in einem rein verbalen Vortrag können digitale Medien unterschiedliche Zugänge zu einem Bildungsinhalt eröffnen und diesen auf der interaktiven und visuellen Ebene anschaulicher wiedergeben. Dies führt dazu, dass unterschiedliche Lerntypen individueller angesprochen werden können, was wiederum eine erhöhte Lernwirksamkeit begünstigt. Außerdem kann die abwechslungsreiche Auseinandersetzung mit den Lerninhalten die Motivation der Lernenden steigern (vgl. ebd.).

Beispiel:
Sie möchten Ihren Schüler*\innen das Thema "nachhaltige Ressourcennutzung" nahebringen und nicht nur Arbeitsblätter oder Literaturempfehlungen verwenden. Die Lernenden sollen sich interaktiv mit dem Thema auseinandersetzen. Im Internet finden sich bereits viele Plattformen, die digitale und freie Unterrichtsmaterialien anbieten, unter anderem auch digitale Simulationsspiele, die einen sicheren Raum zum Testen und Ausprobieren schaffen. Mithilfe der Materialien des Projektes RUVIVAL, das im Rahmen der Hamburg Open Online University entstanden ist, können sich die Lernenden multimedial mit den jeweiligen Lehrinhalten auseinandersetzen.

Digitale Medien ermöglichen Räume zum Üben und Wiederholen

Insbesondere interaktive Tools, wie Simulationsspiele (Serious Games) oder H5P-Dateien, ermöglichen Lernenden einen erlernten Inhalt ohne Konsequenzen anzuwenden. Sie können üben, verschiedene Lösungsmöglichkeiten ausprobieren und sich interaktiv mit dem Inhalt auseinandersetzen.


Tipps für eine erfolgreiche mediendidaktische Lehre

Möchten Sie digitale Medien in der Lehre einsetzen und ihre Potenziale nutzen, dann können Ihnen diese drei Tipps weiterhelfen:

Akzeptanz schaffen

Lernangebote, die digital umgesetzt oder bereichert werden, benötigen sowohl bei Lehrenden als auch bei Lernenden eine Akzeptanz. Sie lässt sich unter anderem durch eine adäquate Einführung in die neue Lernform, durch eine entsprechende Benutzerbetreuung und einen Konsens über den Wert der digitalen Umsetzung sicherstellen.

Selbstlernfertigkeiten anregen

Lernende sollten dabei unterstützt werden, das digitalisierte Lernangebot auch eigenständig nutzen zu können, um das Lernziel zu erreichen und selbstbestimmt lernen zu können.

Drop-out verhindern

Mediengestütztes Lernen fällt nicht jedem leicht. Um zu verhindern, dass Lernende den Kurs abbrechen oder das Lernziel nicht erreichen, sollte das Medienangebot nicht zu anspruchsvoll sein bzw. der Zielgruppe entsprechend gewählt werden (vgl. Kerres 2003, Seite 6).


Literatur:
Die gesamte Bandbreite nutzen der Schriften zur Didaktik in den Ingenieurwissenschaften des ZLL an der TUHH, von Nicole Podleschny, Sönke Knutzen und Peter Salden, CC BY 4.0. Änderungen wurden vorgenommen.